Antibiotika – Kontrovers diskutiert

Geschrieben von Dr. Mathias Ehrlich am in Ökosystem

Wer macht eigentlich wem was vor…

Nach einem Artikel des Tasso-Newsletters von letzter Woche in welchem die Zeitung „Die Welt“ zitiert wird, werden in Deutschland jährlich 1734 t Antibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt. Das soll laut Angabe einer EU-Kommission zur Folge  haben, dass europaweit jährlich 25.000 Menschen infolge von Infektionen (d.A.) mit multiresistenten Keimen sterben.  Diese Untersuchung bewegte das Bundeskabinett unter Führung von Frau Aigner dazu, das bestehende Arzneimittelgesetz ändern zu wollen und eine stärkere Kontrolle auf der Basis einer zentralen Datenbank in welcher der Antibiotikaeinsatz von deutschen Tierärzten und Landwirten dokumentiert wird, zu etablieren.

Wenn man diese Zahlen unkritisch liest sind sie erschreckend. Doch was ist wenn mann hinterfragt und recherchiert…? Es werden hier keine Zahlen veröffentlicht wie viele Menschen an deutschen Krankenhäusern im betreffenden Zeitrum an Infektionen mit multiresistenten Keimen versterben. Eine Zahl findet sich bei Schröder,H, Gesundheit und Soziales Ausgabe 7-8/2011, 22-27, welcher von 1.500 bis 4.500 tötlich endenden Krankenhausinfektionen in Deutschland ausgeht. Im humanmedizinischen Bereich stehen

  • Antibiotika mit 40.000.000 Verordnungen pro Jahr auf Platz zwei der zulasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) verordneten Arzneimittelgruppen
  • Italien Frankreich und Griechenland verschreiben rund dreimal soviel gemessen pro Kopf der Bevölkerung – niedrigste Verordnungsrate hat die Niederlande
  • parallel dazu höchste Verbreitung resistenter Keime in Frankreich, niedrigste in Scandinavien und den Niederlanden

In einer Veröffentlichung des Bayrischen Landesamtes für Umwelt (LfU) 2008 findet man, dass pharmazeutische Produkte mit knapp 25 % den größten Anteil an der gesamten Chemieproduktion der EU stellen . In der Humanmedizin werden in Deutschland etwa 30.000 t Wirkstoffe pro Jahr umgesetzt, davon sind 6.500 t synthetisch hergestellte Wirkstoffe (Antibiotika etwa 800 t). In der Tierhaltung werden pro Jahr schätzungsweise 2.500 t Wirkstoffe zu therapeutischen Zwecken eingesetzt, davon 90 % Antibiotika und Antiparasitika.

Ich möchte an dieser Stelle einen Stab für die deutschen Tiermediziner brechen, welche Antibiotika zur Gesunderhaltung der Tiere und Tierbestände (auch in Massentierhaltungen) zum größten Teil nach vorliegenden Antibiogrammen und gewiss nicht plan- oder gedankenlos einsetzen. Wohingegen nicht sicher ist, ob jeder grippale Infekt, jede Erkältung oder Virusgrippe bis hin zu Mittelohrentzündungen bei Kindern sofort eines Breitspektrum- oder Reserveantibiotikoms bedarf welches häufig auf Druck der Patienten verschrieben wird und die Entstehung multiresistenter Keime drastisch fördert.

Hier ist in allen Bereichen auch der Endverbraucher in der Pflicht, egal ob Patient, Verbraucher von Produkten aus Massentierhaltungen (denn nur in Massentierhaltungen ist hoher Gewinn bei niedrigen Produktionskosten und niedrigen Endverbraucherpreisen möglich) – Eier, Geflügel, Schweinefleischprodukte usw. oder die Anwender der Antibiotika, welche sich nur an die schon seit Jahren bestehenden Leitlinien für den Antibiotikaeinsatz halten müssten – und das alles nicht nur in Deutschland sondern am besten europaweit und noch besser weltweit…

Denken sie darüber nach mit freundlichen Grüßen Ihr Dr. Mathias Ehrlich.

Schlafen Sie gut!

 

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Dr. Mathias Ehrlich

Dr. Mathias Ehrlich, geboren 1969 in Dresden. Studium in Berlin bis 1996. Tierarzt in Dresden-Langebrück seit 1996. Promotion 2010 in Leipzig.

Kommentare (1)

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    ec

    |

    Ich habe hier gesehen, was AB bei Katzen auslösen kann: sehr schlimmen Durchfall. Deswegen bin ich total gegen ABs, die „einfach mal so“ und total planlos in die Tiere gegeben werden, was hier bei mir leider der Fall war. Nicht bei Ihnen – wohlgemerkt. Aber klar, die Tierärzte wollen auch Geld verdienen an den Nachfolgen, die dadurch entstehen können.

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