Abschied
Wenn es heißt Abschied zu nehmen…
Liebe Leserinnen und Leser,
Abschied nehmen! Sich bewusst von etwas trennen was man liebt, schätzt, dem man vertraut… Täglich gehört es zu meiner Arbeit – der Arbeit nahezu aller praktizierenden Tierärzte – ein geliebtes Haustier einzuschläfern oder wie es in der Fachsprache heißt, zu euthanasieren. Doch was heißt eigentlich Euthanasie. Im medizinischen Sprachgebrauch ist die Euthanasie die Erleichterung des Sterbens sowie die bewusste Herbeiführung des Todes. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde der Begriff der Euthanasie auch für die Ermordung von Kindern, kranken Menschen und Häftlingen benutzt und hat daher bei vielen Menschen einen fürchterlichen, einen schrecklichen Beigeschmack. Dabei hat die Bedeutung des Wortes Euthanasie, abgeleitet vom griechischen euthanasia (εὐθανασία) doch eigentlich keinen schlechten Beigeschmack, heißt es doch wörtlich übersetzt schöner Tod oder guter Tod.
Nun stellen sich doch aber für viele Tierfreunde (sicherlich auch Nicht-Tierliebhaber) die Fragen: Warum muß ich mein Tier einschläfern lassen? Wie geht das vor sich? Was empfindet das Tier dabei? Wer darf das durchführen? Was geschieht mit meinem Tier danach? Manch einer fragt sich vielleicht auch: Was empfindet der Tierarzt, wenn er DAS täglich machen muss?
Der häufigste Grund für das Einschläfern (Beschönigung für das Wort „Töten“) eines Tieres sind sicherlich Erkrankungen unserer Tiere, welche zu solch schweren Leiden führen, dass wir den Eindruck gewinnen, dass sich die Tiere quälen und wir trotz aller möglichen und notwendigen medizinischen Versorgung keine Besserung des Gesundheitszustandes hervorrufen können. Schon bei dieser Entscheidung kommen die ersten Gefühle des Tierarztes ins Spiel. Sind alle möglichen Therapieoptionen ausgenutzt? Wie lange soll die Therapie versucht werden? und so weiter. Sicherlich gibt es klare und weniger klare Entscheidungen. Das Wenigste steht in einem Lehrbuch – das Meiste sind Erfahrungswerte, trotzdem macht man es sich nie leicht und urteilt vorschnell, sondern eher vielleicht manchmal zu spät. Immer ist es aus meiner Sicht wichtig, dass Ihr Liebling ein lebenswertes, tierartgerechtes Leben behält. Das heißt Tiere müssen sich artgerecht bewegen können, selbständig fressen können, ihre Umwelt bewussst wahrnehmen können – mal abgesehen von zeitlich absehbaren Einschränkungen, welche durch die Behandlung einer Krankheit bedingt sind. Wenn diese Merkmale nicht mehr gegeben und in absehbarer Zeit auch nicht wieder herstellbar sind, sollte man sich für eine Euthanasie seines Lieblings entscheiden. Sicherlich spielen auch solche Gründe, wie das Alter des Tieres oder der finanzielle Aufwand für eine Therapie eine entscheidende Rolle in der Entscheidungsfindung. Deren Abhandlung würde aber den Rahmen dieses Beitrages bei weitem übersteigen.
Wie die Euthanasie vor sich geht ist in groben Zügen in § 4 (1) des Tierschutzgesetzes geregelt, welcher abgekürzt lautet: „Ein Wirbeltier darf nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. (…) Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.“ Für den konkreten Fall bedeutet das, dass unsere Lieblinge, egal ob mit Haaren, Federn, Panzer oder Schuppen mittels einer Injektion, entweder in die Muskulatur oder ein Blutgefäß, ein Medikament zur Betäubung erhalten. Dabei handelt es sich im Normalfall um übliche Narkosemittel wie sie auch für operative Eingriffe genutzt werden. Wenn das Tier ein sehr tiefes Schlafstadium erreicht hat, wird soweit das möglich ist, in eine große Vene ein hochkonzentriertes Narkosemittel (Pentobarbital) oder spezielles Präparat zur Tötung von Tieren (Embutramid) verabreicht, welches zum Stillstand von Herz, Atmung und zentralem Nervensystem führt. Durch die Gabe des Narkosemittels können wir davon ausgehen, dass Ihr Tier von dieser Prozedur nichts merkt. Für Sie, lieber Tierhalter ist dieser Augenblick unglaublich schmerzlich und keiner möchte sich diesen Augenblick vorstellen, wenn Hund oder Katze noch fröhlich, jung und gesund durch den Garten springen. Ich finde aber, dass es wichtig ist sich mit diesem Gedanken zu beschäftigen, um sich auf den Augenblick vorzubereiten in welchem das Unfassbare geschieht. Auch für mich als Tierarzt ist dieser Schritt jedesmal schwer. Oft handelt es sich um Patienten, welche man viele Jahre betreut, ja zu welchen man ein persönliches Verhältnis aufgebaut hat. Der Tierarzt ist aber nahezu der einzige Berufsstand, welcher die vom Gesetz verlangten Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzt, um diese Verrichtung sachgerecht durchzuführen.
Der Tod ist ein einschneidender Punkt im Leben eines jeden Wesens und jeder Mensch empfindet ihn anders. Gerade der Tod eines geliebten Tires, mit welchem man oft sehr lange Zeit verbracht hat ist meiner Meinung nach ein besonders schmerzlicher Verlust. Um so mehr ist es wichtig, dem verstorbenen Kameraden einen würdevollen Abschied zu gestalten. Nun steht man plötzlich vor der Farge: Welche Möglichkeiten gibt es ? und: Welcher Weg ist der richtige? Wichtig ist, dass Sie einen Weg beschreiten den Sie später nicht bereuen. Sie haben die Möglichkeit das verstorbene Tier auf ihrem Grundstück zu beerdigen. Dazu müssen bestimmte Auflagen erfüllt sein, welche regional geringfügig abweichen. Auf öffentlichen Flächen ist die Beisetzung eines Tieres nicht gestattet. Sollten Sie nicht die Möglichkeit haben, das Tier auf dem eigenen Grundstück zu beerdigen, können Sie eine Grabstelle auf einem Tierfriedhof pachten. Bei Feuerbestattungen können Sie zwischen Sammel- und Einzeleinäscherung in verschiedenen Tierkrematorien wählen. Bei der Einzeleinäscherung wird die Asche Ihres Lieblings in einer Urne aufgefangen und Ihnen ausgehändigt. Die letzte Möglichkeit ist die Verbringung in eine Tierkörperbeseitigungsanlage. Hier werden die Körper verstorbener Haustiere gemeinsam mit Schlachtabfällen verarbeitet, zerkleinert und hoch erhitzt. Bestimmte Anteile daraus werden später einer weiteren Verarbeitung zugeführt, andere werden als Abfall entsorgt.
Jeder Verlust dieser Art hinterlässt eine große gähnende Leere, die Aufzufüllen meistens sehr schwierig ist. Ob Sie sich entschließen dieses Loch mit der Liebe zu einem neuen kleinen Hausgenossen zu kompensieren oder ob Sie Abstand gewinnen möchten – jeder Weg den Sie wählen ist für Sie richtig, nur bedenken Sie: Jedes Tier ist ein Individuum und damit anders. Versuchen Sie nicht Ihren neuen Liebling mit dem vorherigen zu vergleichen oder gar zu messen. Sollten Sie fragen oder Unklarheiten zu diesem traurigen, aber wichtigem und sehr emotionalem Thema haben, scheuen Sie sich nicht den Tierarzt Ihres Vertrauens zu kontaktieren.
Herzlichst Ihr, Dr. Mathias Ehrlich. www.tierarztpraxis-ehrlich.de
Tags:Euthanasie, Hund, Katze, Tierarzt, Tierarzt Dresden, Tiere, Tierschutz, Tierschutzgesetz
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Kommentare (4)
A.Kraus
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Sehr geehrter Herr Dr. Ehrlich,
ich finde es gut, daß Sie ansprechen, was mit den Tieren in einer Tierkörperbeseitigungsanlage passiert. Vielen Menschen ist das nicht bewußt und würden sich vielleicht für eine andere Möglichkeit nach dem Tod ihres Tieres entscheiden.
Natürlich ist das auch eine Frage des Geldbeutels. Für mich kam bei unserem verstorbenen Hund nur eine Einäscherung in Frage. Er war schließlich ein Familienmitglied. Ich hatte das „Glück“, im TV einen Beitrag über eine Tierkörperbeseitigungsanlage zu sehen. Da stand für mich fest, daß dies nie ein Weg sein wird, den ich jemals ein Tier von mir gehen lassen werde.
Das Thema Abschied ist bei unserer Ronja (geb. 2012) aber noch kein Thema. Wir hoffen sie bleibt lange gesund. Und wenn mal ein Wehwehchen auftritt, wissen wir, daß wir jederzeit bei Ihnen Hilfe bekommen. Machen Sie weiteso.
Viele Grüße
Frau Kraus
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HAGEDISE
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Hallo, lieber Herr Dr. Ehrlich! Darf ich Sie um etwas bitten? Ja? Machen Sie bitte einmal die Augen zu. So. Ja. Und nun stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie wären ich. Geht? Fein. Machen Sie also Ihre Augen wieder auf – und schauen Sie jetzt, aber bitte: gaaaanz gaaaanz vorsichtig!, auf das „Postschreibfach“ hier unten auf Ihrer Blog-Seite. Na, wie wird Ihnen da? Schön kalt und heiß? Richtig eng um’s Herz? Ordentlich schwindelig? Mithin die klassische Symptomatik einer Klaustrophobie?!? Tjaaaaaa, siehste…… das geht unsereinem nämlich gerade ganz genau so. Und angelegentlich kommt man schon fast in’s Grübeln, ob der Satz „Liebe Leserinnen und Leser, Abschied nehmen!“ womöglich nicht doch irgendwie als rigoros-kategorischer Imperativ gemeint sein könnte…..
Na, wie dem auch sei – man bricht sich fast die Äugelein, wenn man da unten etwas hineinschreiben möchte. Seit gestern jedenfalls suche ich schon tapfer im Dunkeln umhertastend meine guten alten Braille-Schablönchen….
Aber, ja klar, wie sagte doch gleich der Fuchs zum Kleinen Prinzen, mitten in der Wüste? „Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Kapitel XXI.
In diesem Sinne
allerherzlichst
Ihre
H.
P.S. Trotz der zugegebenermaßen zur Zeit etwas angespannten Themata lassen Ihre poetischen Bildfindungen ja wirklich kaum noch Wünsche offen. Außer einen: MEHR!
***
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Doris Schröder
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Versuch Nr. 2
Hallo Herr Dr. Ehrlich,
vielen, vielen Dank für Ihren Artikel. Nun habe ich ein Kloß im Hals, aber ich denke, dieses Thema gehört zu den wichtigsten von Herrschen und Frauchen, auch wenn der Mensch ein Verdränger ist.
Ich habe über das Thema auch schon oft nachgedacht. Mein Mischa ist ja nun auch schon 12 und nicht wiklich gesund. Ich versuche mich dann immer damit zu beruhigen, dass Mischa ein schönes Leben bei uns hatte. Ich hatte ihn damals, da war er 1,5 Jahre alt, von einer Familie sozusagen aus 2. Hand bekommen, die ihn nicht mehr wollte. (Schon traurig genug.)
Die Frage, die mir sich hauptsächlich stellt, ist, ob Hunde eine Ahnung von Tod und Sterben, Einschläfern haben. Inwieweit interpretieren sie den Schmerz von Herrchen und Frauchen richtig und werden dadurch belastet? Ich glaube nicht, dass man einem Hund vorspielen kann, dass man entspannt und glücklich ist, wenn man eigentlich todtraurig ist…
Ich war einmal in Ihrer Praxis und da war ein Hund, der hat den ganzen Flur mit Blut vollgespuckt… Ich denke, spätestens bei solchen Dauerzuständen ist es auch die Verantwortung vom Hundehalter, sein Tier von den Qualen zu erlösen. Ich hoffe nicht, in solch eine Situation zu kommen mit Mischa. Aber wenn, sollte man das beste für seinen Hund tun. Gut, wenn man dann einen Tierarzt hat, dem man vertraut. Gibt es eigentlich für Tierärzte eine Supervision dazu? Wo holen Sie sich Kraft und Unterstützung?
Warum ist es eigentlich bei Tieren erlaubt – die Euthanasie – aber nicht bei Menschen, die diesen Wunsch ja zudem auch äußern können. Im gegensatz dazu können Tier ja nicht direkt sprechen…
Wie ist das eigentlich, nimmt man seinen Hund dann erst einmal mit nach Hause oder wie funktioniert das mit der Beerdigung/Einäscherung?
Ist dann auch eine schwere Wahl, obwohl eine Kadaverentsorgung in einer Tierkörperbeseitigungsanlage für mich nicht in Frage kommt. Dennoch ob man sich dann eine Einzeleinäscherung leisten kann, ist die Frage. Jedenfalls haben wir als Kinder unsere Kleinhaustiere im elterlichen Garten begraben dürfen. Aber einen Hund würde mein Vater mit Sicherheit nicht akzeptieren.
Nochmals Danke. Ich fühle mich auch sehr gut aufgehoben in Ihrer Praxis.
Viele Grüße.
Doris Schröder
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HAGEDISE
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„WER DAS WISSEN MEHRT, MEHRT DEN SCHMERZ.“
Ich glaube, das ist aus der Bibel… ja, Prediger Salomo, Kapitel I, Vers 18…. ich kann jetzt leider gar nichts weiter sagen, außer, daß ich mich ganz herzlich für diesen Artikel bedanken möchte.
So, und nun tut’s einfach bloß noch weh….
Dennoch, und wie immer
herzlichst
Ihre
H.
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